Waltraud Joa
Beauftragte der Stadt Marktoberdorf für Menschen mit Handicap
 Telefon: +49 (0) 8342 - 42945

Behinderte sind keine Belastung

Erstellt von W.Joa |

Ostallgäu/Hopfen am See (dm). „Behinderte einstellen? Niemals. Die haben hohe Fehlzeiten, sind nicht leistungsstark und kaum mehr zu kündigen." Solche Klischees bekommt Waltraud Joa, Behindertenbeauftragte für den Landkreis Ostallgäu, oft von Arbeitgebern zu hören. Zeit mit diesen Klischees ein für allemal aufzuräumen, dachte sie sich und lud zusammen mit Füssens Bürgermeister Christian GangI zu einem Vortrag über Behinderte auf dem ersten Arbeitsmarkt.

Doch welche Leute werden eigentlich als behindert eingestuft? Mit dem ersten Klischee räumt Claudia Bröll-Ostler von der Handwerkskammer Schwaben auf: „Nicht jeder Behinderte ist körperlich behindert." Es gibt auch Sinnesbehinderungen wie zum Beispiel Blindheit, Sprach-, seelische, Lern- und geistige Behinderungen. Und diese Menschen können genauso arbeiten wie andere.
Die Handwerkskammer unterstützt Behinderte auch bei der Ausbildung, der Fortbildung und der Existenzgründung und kann dabei auf zahlreiche Erfolge verweisen: „Zum Beispiel haben wir die Schaffung eines Arbeitsplatzes für einen Industrieelektroniker mit 9900 Euro bezuschusst. Die Gesamtkosten lagen bei 26 000 Euro." Um solche Arbeitsplätze zu schaffen, müssen sich die Unternehmen vorneweg Gedanken dazu machen, so Referentin Dr. Uta Müller. Das Zentrum für Weiterbildung und Wissenstransfer Universität Augsburg (ZWW), das sie vertritt, unterstützt bei der Verwirklichung dieses Ziels. Im Moment ist das ZWW mit einem Leitfaden für die Unternehmen beschäftigt. Der nächste Schritt, um einem Behinderten erfolgreich einen Arbeitsplatz zu vermitteln, sind auch die Förderungen, mit denen die Agentur für Arbeit die Arbeitgeber lockt. Finanzielle Unterstützung gibt es in Form von Eingliederungszuschüssen bei der Einstellung eines behinderten Menschen, einer prozentualen Erstattung der Ausbildungsvergütung oder Zuschüsse zu einer befristeten Probebeschäftigung. Dabei sind die Gelder, die es zur richtigen Gestaltung des Arbeitsplatzes dazu gibt, unbegrenzt. Wie Erich Heckel von der Bundesagentur für Arbeit aus Kempten aus der Erfahrung belegen kann, unterschreibt er pro Woche vier Anträge auf Zuschüsse. Einen weiteren Teil zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit von Arbeitgebern mit behinderten Arbeitnehmern trägt der Integrationsfachdienst Kempten, repräsentiert von Petra Dröber und Daniela Stark, bei. Neben einer weiteren Möglichkeit der finanziellen Hilfe, betreuen die Mitarbeiter vom Integrationsfachdienst Menschen mit Behinderung bis zu sechs Wochen an ihrem neuen Arbeitsplatz.
Karl Blasczyk vom Zentrum Bayern Familie und Soziales/Integrationsamt räumt das letzte Klischee vom Tisch: „Man kann Behinderten durchaus kündigen, wenn das Integrationsamt zustimmt. Und das wird es tun, wenn die Belange des Arbeitgebers über den Belangen des Behinderten stehen." Bei einer Werksschließung soll der Unternehmer aber versuchen, den Arbeitsplatz des behinderten Menschen zu erhalten, gegebenenfalls ihn einfach in einem anderen Zweigwerk unterzubringen. Einen Behinderten einzustellen bringt außerdem einen finanziellen Vorteil: „Die Ausgleichsabgabe muss nicht bezahlt werden.
„Damit haben wir die größten Klischees eindeutig beseitigt. Die Rechte der Behinderten ist eine Sache, für die es sich lohnt, sich zu engagieren", wie Bürgermeister Christian Gangl zum Schluss feststellt. „Denn für behinderte Menschen bedeutet Arbeit nicht nur das Auskommen, sondern in besonderer Weise Anerkennung, Zufriedenheit und gesellschaftliche Akzeptanz", fügt Behindertenbeauftragte Waltraud Joa hinzu.

NACHGEFRAGT

bei Waltraud Joa, Behindertenbeauftragte für den Landkreis Ostallgäu:
„Wir müssen mit Klischees aufräumen"

Füssen (dm).
Waltraud Joa bekommt als Behindertenbeauftragte für den Landkreis Ostallgäu viele Vorurteile von Arbeitgebern gegenüber der Einstellung von Behinderten zu hören. Diese wollte sie durch den Vortrag „Mit Klischees aufräumen" beseitigen. Denn gerade für Behinderte bedeutet es eine ganz andere Art von Anerkennung und Zufriedenheit, wenn sie einen Beruf auf dem ersten Arbeits-markt ausüben können.

Was ist ihre Aufgabe als Behindertenbeauftragte?
Joa: Ich habe einen sehr vielschichtigen Arbeitsbereich mit drei Schwerpunkten: Der erste ist das „Barrierefreie Bauen" bei Straßen und Wegen sowie bei öffentlich genutzten Gebäuden. Behinderte müssen die Möglichkeit haben, selbstständig und grundsätzlich ohne fremde Hilfe Zugang zu öffentlich genutzten Gebäuden zu finden. Zweiter Schwerpunkt ist barrierefreier Tourismus. Wir leben in einer wunderschönen Gegend, haben viele barrierefreie Angebote in der Freizeitgestaltung und Menschen mit Handicap sollen     die Chance haben,bei uns Urlaub zu machen, Das wichtigste Thema, dem ich mich widme, ist die „Arbeit".  Mit den Klischees von Arbeitgebern muss aufgeräumt werden.

Wieso Klischees? Sind Behinderte nicht eine Belastung für Arbeitgeber?
Joa: Nein, behinderte Arbeitnehmer sind keine Belastung. Sind sie ihrer Leistungsfähigkeit entsprechend eingesetzt und der Arbeitsplatz bei Bedarf behindertengerecht eingerichtet, so gibt es keine Unterschiede zu anderen Arbeitnehmern. Schwerbehinderte Menschen haben einen besonderen Kündigungsschutz. Dieser deckt aber nur den Bereich ab, der in der Behinderung liegt. Trotzdem werden weit über 80 Prozent aller Kündigungsbegehren stattgegeben. Außerdem bekommen Arbeitgeber einen Minderleistungsausgleich,falls der Arbeitnehmer in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. Mit Klischees aufräumen ist wichtig, damit wir lernen, dass behinderte Menschen in allen Bereichen der Unternehmen einsetzbar sind. Nicht nur für leichte Tätigkeiten.

Welche Erfahrungen hat man mit Behinderten auf dem Arbeitsmarkt in der Vergangenheit gemacht?
Joa: Ende 2005 gab es in Ostallgäu über 10 000 schwerbehinderte Menschen. Nicht alle Behinderungen sind sichtbar. Denken Sie an Diabetes oder psychische Behinderung. Für Menschen, deren Behinderung so schwerwiegend ist, dass sie auf dem Arbeitsmarkt keine Chance haben, sind wir dankbar für Einrichtungen wie zum Beispiel die Herzogsägmühle in Peiting oder die Wertachtalwerkstätten in Kaufbeuren. Alle anderen Menschen mit Behinderung haben Anspruch auf Beschäftigung auf dem 1. Arbeitsmarkt. Für sie ist es sehr schwer, da es zu viele Klischees gibt. Wir versuchen sie bei ihrer Jobsuche zu unterstützen und ihnen zu helfen.

Welche Bedeutung hat eine Veranstaltung wie diese in Hopfen?
Joa: Die Veranstaltung soll Bürgermeister und ihre Verwaltungen sowie Arbeitgeber sensibilisieren nachzudenken, wo sie mehr Arbeitsplätze für Behinderte schaffen können. Außerdem soll die Bevölkerung über die verschiedenen Arten von Behinderungen aufgeklärt werden.

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