Was ist bunt, ziemlich leise und ebenso bequem, dazu umweltschonend, variabel, preiswert und obendrein barrierefrei?
Richtig, es ist der vollelektrische Flexibus, der seit Wochenbeginn in Marktoberdorf - nein, eben nicht seine sturen Runden dreht, sondern genau dorthin fährt wo Sie und ich ihn zu einer ganz bestimmten Zeit haben wollen. Total flexibel eben.
Diese neue Ära in Sachen öffentlicher Nahverkehr wurde am Montag gefeiert: standesgemäß mit einer Jungfernfahrt ohne dass aber, wie Dr. Wolfgang Hell schmunzelnd annmerkte, eine Sektflasche gegen den weiß-orange lackierten Mercedes-Kleinbus geworfen worden wäre. Vielmehr holte der Bürgermeister mit Klaus Voculics am Steuer am Landratsamt die dortige Hausherrin Maria Rita Zinnecker ab. Weiter ging's zum Wohnsitz von Waltraud Joa. Die Beauftragte der Stadt für Menschen mit Handicap demonstrierte, dass man auch mit Rollstuhl problemlos in den Flexibus hinein und wieder heraus kommt. Im Heck des Fahrzeugs gibt's dafür eine Rampe.
Für Joa war der Start des neuen Mobilitätsangebots in Marktoberdorf „ein Tag der Freude''. Damit sei ,,ein Traum in Erfüllung gegangen", endlich seien auch Menschen mit Handicap und ohne eigenes Fahrzeug mobil, ohne ständig andere um eine Fahrgele- genheit anbetteln zu müssen. "Ich denke", sagte Joa, ,,dass viele Rollifahrer neue Angebot nutzen werden." Ihr Dankeschön galt Wolfgang Hell ("Der Bürgermeister ist ganz massiv vorangegangen und hat gesagt, ohne Barrierefreiheit gibt's keinen Bus") ebenso wie dem Stadtrat und dem städtischen Wirtschaftsförderer Philipp Heidrich. Der hatte, um das Projekt auf den Weg zu bringen, im Rathaus laut Hell "die Hauptarbeit gemacht" und bekam deshalb von seinem Chef einen Sonderlob.
Auch Hell dankte neben dem Stadtrat und dem Landkreis allen Beteiligten, die das Vorhaben Flexibus vorangetrieben hätten. Man sei jetzt in Marktoberdorf und seinen Stadtteilen nicht nur komfortabel, sonder auch barrierefrei und vollelektrisch gemeinsam unterwegs". Das neue Angebot solle nicht zuletzt dazu führen, das eigene Auto auch mal stehen zu lassen und stattdessen mit dem Flexibus zu Einkaufen zu fahren. Der Rathauschef schloss mit einem Apell: "Viele in Marktoberdorf haben den Flexibus gefordert - zum Erfolg können ihn jetzt nur unsere Bürgerinnen und Bürger führen."
In die gleiche Kerbe hieb die Landrätin. Der Flexibus sei "ein wichtiger Baustein für die Verkehrswende", und er sei "mit hohen Fördermitteln auch vom Freistaat ausgestattet" worden. Maria Rita Zinnecker: "Das Angebot ist gut, der Preis ebenso - jetzt muss der Bus auch genutzt werden."
Apropos Angebot, apropos Preis: Von montags bis freitags (6 bis 20 Uhr) sowie samstags (8 bis 15 Uhr) sind die beiden Flexibusse im Stadtgebiet unterwegs, von Bertoldshofen bis Geisenried, von Sulzschneid bis nach Leuterschach. Buchbar ist eine Fahrt entweder über die Flexibus-App oder auch telefonisch (Montag bis Freitag von 6 bis 19.30 Uhr sowie Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 7 bis 18 Uhr) unter Tel. 08282/9902-100. Es kann bargeldlos per App oder im Bus sowie bar beim Fahrer bezahlt werden. Eine Fahrt kostet in der Zone 1 (Kernstadt mit Thalhofen) 2,40 Euro, in der Zone 2 (alle übrigen Stadtteile) 3,60 Euro.
Wer also "seinen" Flexibus geordert hat, wird über Zeitpunkt und Ort der Abholung informiert: Entweder in der App oder per Telefon, wenn man damit gebucht hat. Der Weg zum Bus ist in keinem Fall weit: Das Stadtgebiet wurde mit gut 1.400 virtuellen Haltestellen ausgestattet, so dass man maximal 80 Meter von seiner Haustür bis zum Bus zurücklegen muss. Ab 30 Minuten vor der Abfahrt zeigt die App den exakten Standort des Busses an.
Wer unsicher ist und/oder eine weitergehende persönliche Beratung wünscht, auch für den ist vorgesorgt: Ein Servicebüro befindet sich bei "Schreiben und Lesen mit dem Eselsohr" in der Meichelbeckstraße 7.
Betrieben werden die beiden Kleinbusse von der Flexibus KG in Krumbach. Deren Chef Josef Brandner hat bereits jede Menge Erfahrung mit dem quasi individualisierten öffentlichn Nahverkehr: Bereits 2011 ließ er den ersten Flexibus in seiner Heimatstadt Krumbach fahren. Heute rollen seine Kleinbusse in mehreren Kommunen in den Landkreisen Unterallgäu und Günzburg - seit Montag nun auch in Marktoberdorf im Ostallgäu.
Gekostet haben die Busse nach Angaben von Brandner 85.000 Euro je Exemplar. Übernachten dürfen die Gefährte laut Hell in der Rathaus-Tiefgarage, wo eigens zwei Wallboxen installiert wurden. So können die Flexibusse über Nacht Energie für den nächsten Tag in ihre Akkus füllen.
Die Stadt lässt sich die neue Art der Mobilität übrigens einiges kosten: Nach Abzug der Fahrgasteinnahmen un der Förderung durch den Freistaat rechnet man im Rathaus mit einem jährlichen Zuschuss zwischen 175.000 und 250.000 Euro.
Je häufiger die Marktoberdorfer und ihre Gäste den Flexibus in Zukunft aber nutzen, desto weniger muss die Stadt draufzahlen. Unternehmer Brandner rechnet nach eigenen Angaben damit, dass in drei Jahren (so lange läuft zunächst auch sein Vertrag mit der Stadt) durchschnittlich 100 Fahrgäste den Flexibus nutzen - jeden Tag. Wirtschaftsförderer und Chef-Antreiber Heidrich mag diesen Zahlen freilich nicht folgen. Er gibt die Parole aus: "Das muss schneller gehen." Mit Vollstrom voran.